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Gespräch und Konzert

3. Mai 2012 - 19:00 Uhr

Jüdische Musiker im Exil

KörberForumKehrwieder 12, 20457 Hamburg

Als nach dem Machtantritt der Nazis 1933 viele jüdische Musikerinnen und Musiker aus Deutschland und ab 1938 auch aus Österreich vertrieben wurden, führte die Flucht manche bis nach Australien. Einigen von ihnen gelang es, das Musikleben ihrer neuen Heimat entscheidend mitzuprägen. Andere hingegen wurden zum Wechsel in musikferne Berufe gedrängt und nach Kriegsbeginn als »feindliche Ausländer« ausgegrenzt und schließlich interniert. So verschwanden sie auf doppelte Weise und gerieten in Vergessenheit.

Susanne Wittek interviewte den Musikhistoriker Dr. Albrecht Dümling, Autor des 2011 erschienenen Buches »Die verschwundenen Musiker. Jüdische Flüchtlinge in Australien«.

Er berichtete beispielhaft für viele über das Leben und Schicksal des Oberkantors Boas Bischofswerder aus Berlin und dessen Sohn, der besser bekannt ist unter dem Namen Felix Werder. Dr. Dümling hatte die traurige Aufgabe, das Publikum darüber zu informieren, dass Felix Werder einen Tag vor der Veranstaltung 90-jährig in Melbourne verstarb.

Boas Bischofswerder und sein Sohn verließen Deutschland 1940 Richtung Australien. Direkt vom Schiff „Dunera“ aus wurden sie in das Internierungslager Tatura gebracht. Vier Jahre waren beide dort interniert. Sie arbeiteten im Internierungslager weiter an Kompositionen und Arrangements. Boas Bischofswerder starb bereits 1949.

Danach berichtete Dr. Dümling über Werner Baer, Komponist und Dirigent. 1935 erhielt er Berufsverbot und flüchtete 1939 nach Singapur, nachdem er in Sachsenhausen interniert war und nur mit Hilfe von Freunden wieder frei kam. Von Singapur aus wurde er bei Kriegsbeginn nach Australien gebracht und ebenfalls in Tatura interniert. Nach seiner Freilassung blieb er in Australien und engagierte sich in vielfältiger Weise für die Musik in Australien, u.a. auch beim Rundfunk.

Seine Ausführungen illustrierte Dr. Dümling mit eindrucksvollen Dokumenten aus der Zeit, Die Kinderausweise, die Dr. Dümling zeigte, sind von George Dreyfus, der aus Australien nach Deutschland gekommen war.

Als einer der bedeutendsten australischen Musiker deutscher Herkunft, als Komponist und Dirigent berichtete er zunächst vom Schicksal seiner Familie in Deutschland.

Alarmiert durch die Reichspogromnacht 1938 nutzen die Eltern von George Dreyfus die vom britischen Empire angebotenen Einwanderungsmöglichkeiten für jüdische Kinder, durch Zufall kommen Dreyfus und sein Bruder in ein Internat nach Melbourne. Die Eltern kommen im Sommer 1940 nach. Sein Bruder und er gehörten zu den ganz wenigen Kindern, die ihre Eltern in Australien wiedersahen.

In Australien besuchte er führende Schulen und schloss sein Studium an der Universität Melbourne 1946 ab. Von 1948 bis 1952 spielte er als Fagottist am Her Majesty’s Theatre. 1955 ermöglichte ihm ein Stipendium das vertiefende Fagott-Studium in Wien.

Freimütig bekannte George Dreyfus, dass er im Laufe der Zeit die Lust am Fagott verlor, sich aber nicht zur Aufgabe seiner Stellung im Orchester durchringen konnte. Als er die Kündigung erhielt, war er fast erleichtert. Er arbeitete fortan als freischaffender Komponist.

Zu seinen bedeutendsten Werken zählt das weltweit bekannt gewordene Sextett für Didjeridu und Blasinstrumente (1971) und seine zahlreichen Filmmusiken.

Erfrischend auch seine Werbung für die 1984 erschienene Biographie »The last frivolous Book«, von der George Dreyfus noch 500 Stück zu Hause auf Lager hat.

Die Musikbeiträge der jungen Musiker, die zum Teil Stipendiaten der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. sind, waren Kompositionen von Boas Bischofswerder und Felix Werder (Phantasia Judaica) und George Dreyfus (In Memoriam Raoul Wallenberg).

In Kooperation mit der Körber-Stiftung
und der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S..

Das Buch von Dr. Albrecht Dümling ist im böhlau Verlag erschienen und dort erhältlich.


Susanne Wittek, George Dreyfus, Albrecht Dümling (Fotos: Claudia Höhne)
Susanne Wittek, Albrecht Dümling