Preisträger Claus-Dieter Krohn Preis

Preisträgerin 2024

Interview mit Helene Roth

Helene Roth ist mit dem Claus-Dieter Krohn Preis für die Vermittlung von Exilforschung 2024 für ihre Dissertation mit dem Titel „Urban Eyes. Deutschsprachige Fotograf*innen im New Yorker Exil in den 1930er- und 19340er-Jahren“ ausgezeichnet worden. Der wissenschaftliche Beirat der Herbert und Elsbeth Weichmann-Stiftung würdigte ihre Arbeit als besonders bemerkenswert aufgrund des interdisziplinären und multiperspektivischen Ansatzes, der umfassenden Archivarbeit sowie der pointierten Ergebnisse, die wiederum neue Forschungsperspektiven eröffnen.  

Wir haben Helene Roth zu ihrer Motivation, den Herausforderungen und ihren Plänen für zukünftige Projekte befragt. 

Weichmann-Stiftung:

Was sind die Beweggründe für Ihr Interesse an der Exilforschung? 

Helene Roth:

Ich habe an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München meinen Bachelor und Master in Kunstgeschichte absolviert und mich schon relativ früh auf Fotografie und ab dem Master auch auf Exilforschung spezialisiert. Dank innovativer Seminare konnte ich diese beiden Forschungsgebiete weiter vertiefen. Statt einer rein biografischen Aufarbeitung wurde in den Seminaren der Fokus auf den Kulturtransfer, die Fortführung, wie auch Neuausrichtung von künstlerischen Praktiken und Netzwerken in der Emigration gelegt – Themen, die mich auch persönlich am meisten interessieren.  

In meinen Augen ist die Exilforschung eine sehr interdisziplinäre und alltagsbezogene Forschung. Das fängt zum Beispiel schon vor und während der Passage vom Heimatland in die Emigration an oder bei dem ersten Blick in die neue Stadt. Obwohl ich mich bisher meist mit historischen Themen befasst habe, finden sich immer wieder auch Parallelen zu aktuellen Formen der Migration. Die Exilforschung zeigt uns deutlich, wie wichtig der Blick zurück auf Vergangenes ist.  

Es gibt natürlich auch Herausforderungen in der Exilforschung, die mich jedoch persönlich als Forscherin besonders reizen. Denn die Karrieren wie beispielsweise von Fotografinnen und Fotografen verliefen oftmals nicht kontinuierlich. Daher muss auch mit Leerstellen, Brüchen und Sackgassen umgegangen und das Untersuchungsmaterial über Umwege kreativ analysiert werden.

Weichmann-Stiftung:

Wie sind Sie auf das Thema Ihrer Dissertation gekommen? 

Helene Roth:

Ich habe bereits meine Masterarbeit über eine Fotoserie des nach New York emigrierten Fotografen Hermann Landshoff geschrieben und sofort für das Thema gebrannt. Das vom Europäischen Forschungsrat geförderte Projekt „Relocating Modernism: Global Metropolises, Modern Art and Exile“ hat mir dann die Möglichkeit geboten, mich intensiver mit der US-amerikanischen Metropole und der Emigration von Fotografinnen und Fotografen in den 1930er- und 1940er-Jahren auseinanderzusetzen.  

Neben einem interdisziplinären Ansatz war mir besonders wichtig, emigrierte Fotografinnen und Fotografen als aktiv Handelnde zu verstehen, die mit vielfältigen Praktiken in der Stadt agierten. Ich habe dafür in New York sehr intensiv Feldforschung betrieben, Aufnahmeorte und auch die einstigen Wohn- und Arbeitsadressen aufgesucht, um die Prozesse der Emigration und das Leben wie auch Fotografieren im Exil besser nachvollziehen zu können. 

Weichmann-Stiftung:

Was waren die größten Herausforderungen, denen Sie sich im Rahmen Ihrer Dissertation gegenübersahen? 

Helene Roth:

Die größte Herausforderung war es, die Fülle an angesammeltem Material und recherchierten Informationen sinnvoll zu strukturieren, auszuwerten und zu verschriftlichen. Da ich keine monografische Arbeit schreiben wollte, habe ich über mehrere Jahre sehr viele Archive aufgesucht und mir ein großes Konvolut erarbeitet, das im Nachhinein verwaltet und analysiert werden musste. Zudem musste ich lernen, mich während der Promotionsphase nicht selbst zu vergessen und Auszeiten zu nehmen. Für mich war es sehr wichtig, mir am Tag und in der Woche realistische Ziele zu setzen und diese dann ganz „old-school“ auf meiner To-Do-Liste abzuhaken. So bin ich über mehrere Jahre sehr gut mit der Belastung zurechtgekommen und hatte etappenweise immer kleine Erfolgserlebnisse.  

Weichmann-Stiftung:

Was sind Ihre Pläne für zukünftige Publikationen oder Projekte? 

Helene Roth:

Zunächst werde ich 2024 im Wallstein Verlag meine Dissertation veröffentlichen und parallel an einer englischsprachigen Ausgabe mit Leuven University Press arbeiten. Auch habe ich vor, zu einzelnen Themen aus meiner Doktorarbeit vertiefende Aufsätze zu publizieren. Außerdem habe ich bei den Feldforschungen in New York mit meiner analogen Kamera von der Straße aus die Wohnadressen der emigrierten Fotografinnen und Fotografen aufgenommen – hierzu würde ich sehr gerne ein künstlerisches Projekt starten.  

Dann träume ich davon, eine Ausstellung mit den Fotografien aus meiner Doktorarbeit zu organisieren und meine publizierte Dissertation auf einer der transatlantischen ZEIT-Reisen nach New York vorstellen zu können. 

Und dann gibt es zu Hause bei mir auch noch Aufnahmen von meinem Urgroßvater, der als Monteur für Druckmaschinen quer durch die Welt reiste und Städte wie Rio de Janeiro oder Athen autodidaktisch mit seiner Kamera festgehalten hat. Somit sind diese Fotografien auch wertvolle visuelle Zeugnisse der transnationalen Arbeitsmigration und Industriekultur der 1920er-Jahre. 

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Helene Roth studierte Kunstgeschichte, vergleichende Kulturwissenschaften und Pädagogik in München und Paris. Seit 2017 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kunstgeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität in München, wo sie bis Mai 2023 für das Projekt „Relocating Modernism: Global Metropolises, Modern Art and Exile“ über nach New York emigrierte Fotografinnen und Fotografen promovierte. Ihre im Sommer 2023 abgeschlossene Dissertation wurde o.g. Projekt auch vom Evangelischen Studienwerk e.V. gefördert. Aktuell bereitet sie die deutsch- und englischsprachige Publikation vor, die im Sommer 2024 im Wallstein Verlag und 2025 bei Leuven University Press erscheinen wird.  

Helene Roths Forschungsinteressen umfassen Fotografie, Kunst und Architektur des 20. und 21. Jahrhunderts, Urbanismus, Migration und Exil. Neben ihrer Lehrtätigkeit ist sie als Kunstvermittlerin für das Museumspädagogische Zentrum an mehreren Münchner Museen tätig. 

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Preisträgerin 2022

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Die Preisträgerin Helene Roth
Copyright: Leonhard Simon
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